Simulation von Strömung, Temperatur- und Molekültransport in einer Puffergaszelle für kryogene Puffergaskühlung

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Hintergrund und Motivation

Ziel dieses Projekt ist ein besseres Verständnis sowie die Optimierung kryogener Puffergaskühlung. Mit dieser fortschrittlichen Technik werden kalte Moleküle durch Kollisionen mit kalten Puffergasatomen produziert. Solche kalten Moleküle ermöglichen dann das Studium fundamentaler physikalischer Phänomene. Die Kühlung des Puffergases vollzieht sich in einer Puffergaszelle (siehe Abb. 1). Hierzu werden kontinuierliche Ströme heißer Moleküle mit kontinuierlichen Strömen von Puffergas bei kryogenen Temperaturen von 5 K bzw. 20 K gemischt und „thermalisiert“. Üblicherweise werden Helium oder Neon als Puffergas verwendet, und der Fluss des Puffergases ist ein bis zwei Ordnungen größer als der Molekülfluss. Die Zelle ist mit mehreren kleinen Öffnungen versehen: Zum einen gibt es eine Einlass- und eine Auslassöffnung für Moleküle und Puffergas, die an den jeweiligen Enden der Zellmittelachse angeordnet sind, und zum anderen zusätzliche Seiteneinlässe für Puffergas (siehe Abb. 1). Das Gasgemisch kann die Zelle durch die Auslassöffnung verlassen. Dort bildet sich ein kontinuierlicher effusiver oder Überschallstrahl aus Puffergasatomen und Molekülen. Die Moleküle werden dann vom Puffergas getrennt und zu Anschlussexperimenten zur weiteren Kühlung transportiert. Es ist besonders wichtig, dass für die nachfolgenden Experimente der größtmögliche Fluss kalter Moleküle generiert wird. Um dies zu ermöglichen, ist das Ziel dieses Projektes die Optimierung der Puffergaszelle mit Hilfe von Simulationen der Strömungs- und Transportdynamik innerhalb der Zelle, so dass schließlich ein Zelldesign erreicht wird, mit dem eine maximale Extraktion von Molekülen ermöglicht wird. Darüber hinaus bieten die Simulationen bisher nicht bekannte Einblicke in die Strömungs- und Transportdynamik in der Zelle.

Herausforderungen

Bei der Simulation der Strömung in der Puffergaszelle ist es entscheidend, die veränderliche Dichte des Puffergases infolge großer Temperaturgradienten innerhalb der Zelle zu berücksichtigen. Weiterhin muss der Molekültransport, der mit dem Puffergasstrom gekoppelt ist, simuliert werden. Im Vergleich zu inkompressiblen Strömungen ergeben sich bei Strömungen mit veränderlicher Dichte sowie gekoppeltem Molekültransport einige zusätzliche Herausforderungen:

  • Große Temperaturunterschiede von – in diesem Fall – bis zu 200 K müssen berücksichtigt werden.
  • Diese Temperaturunterschiede führen wiederum zu Dichteunterschieden von – hier – mehr als 1.000 % (!).
  • Die Strömung mit veränderlicher Dichte ist mit dem Transport der Moleküle gekoppelt.

Aufgrund der starken physikalischen Kopplung von Strömung sowie Temperatur- und Molekültransport kann nur eine vollständig gekoppelte numerische Methode die Strömungsdynamik in der kryogenen Puffergaszelle korrekt berechnen und so prädiktive Simulationen ermöglichen. Bei kürzlich von einer Forschungsgruppe in Großbritannien durchgeführten Simulationen, für die ein kommerzielles Softwarepaket ohne derartige volle Kopplung verwendet wurde, konnten nicht alle beschriebenen Herausforderungen adäquat gelöst werden.

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AVM4: der Schlüssel zu prädiktiven Simulationen

AdCo EngineeringGW simuliert die Dynamik der Strömung in der kryogenen Puffergaszelle für das Max-Planck-Institut für Quantenoptik mit ihrer eigenen fortgeschrittenen numerischen Methode AVM4, die von AdCo EngineeringGW gemeinsam mit der TU München und dem Lawrence Livermore National Laboratory in Livermore, CA, USA entwickelt wurde. Mit dieser Methode werden genaue, robuste, zuverlässige und effiziente Simulationen inkompressibler Strömungen sowie Strömungen variabler Dichte niedriger Mach-Zahl (inkl. Massentransport) ohne künstliche Maßnahmen oder Nutzereingriffe über das gesamte Spektrum der Strömungsregime hinweg (von laminar über transitionell bis turbulent) ermöglicht. Insbesondere eignet sich die AVM4 exzellent für sog. Large-Eddy Simulationen (LES) turbulenter Strömungen. Im Gegensatz zu vielen traditionellen LES-Turbulenzmodellen, die in kommerziellen und „Open-Source“ CFD-Software-Paketen implementiert sind, wird keine exzessive Dissipation im laminar-transitionellen Strömungsregime eingebracht. Die AVM4 ist aufgrund ihrer Robustheit und Effizienz besonders gut für große Probleme in komplexen Geometrien geeignet.

Einblicke in die Strömungsdynamik in der Zelle

Die großen Temperaturunterschiede von bis zu 200 K sowie die damit verbundenen Dichtevariationen, die bei der vorliegenden Strömung in einer kryogenen Puffergaszelle auftreten, können mit der AVM4 sehr genau gelöst werden. Die Simulationsergebnisse liefern erstmals Einblicke in die Strömungsdynamik in einer kryogenen Puffergaszelle. Beispielsweise geben qualitative Ergebnisse wie (animierte) Visualisierungen von Geschwindigkeits- und Druckverteilungen sowie Stromlinien, wie die in Abb. 1 (einschließlich einer teilweisen Darstellung der Diskretisierung) und in Abb. 3 dargestellten, ein Bild der Strömung in der Zelle. Darüber hinaus bieten Verteilungen des Temperaturfeldes sowie Konzentrationen der heißen Moleküle innerhalb des kalten Puffergases (s. Abb. 2 für eine beispielhafte Entwicklung der Molekülkonzentration) neue Einblicke in die Transportdynamik in der Zelle. Diese qualitativen Ergebnisse werden durch detaillierte quantitative Ergebnisse, wie Graphen, die Verteilungen von Geschwindigkeits-, Druck-, Temperatur- und Molekülkonzentrationen an jeder gewünschten Stelle oder entlang einer gewünschten Richtung innerhalb der Zelle darstellen, untermauert. Außerdem wird der Molekülabfluss durch den zentralen Ausgang über die gesamte Simulationszeit überwacht; dies ist für die maximale Extraktion von Molekülen entscheidend. Basierend auf dieser Vielzahl von Erkenntnissen wird die Puffergaszelle im weiteren Verlauf des Projektes optimiert.

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